Wenn alles belebt ist und eine Seele hat wie die Schamanen sagen, dann ist auch die Zeit ein Wesen. Es ist ein Wesen, das wir nur allzu oft beleidigen. Wir wissen das, verdrängen es aber gerne. Es ist uns klar, wir haben eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung. Aber was bedeutet das für unseren Umgang mit Zeit? Für viele gar nichts.

Wenn wir jung sind, denken wir, wir haben unendlich viel Zeit. Um eigentlich was zu tun? Keine Ahnung. Wahrscheinlich das, was alle tun. Wenn wir an Wiedergeburt glauben, denken wir, wenn’s in dem Leben nicht klappt, dann im nächsten. Aber was? Wenn wir ein neues Konzept umsetzen möchten, z.B. aufhören zu rauchen denken wir: Ich kann morgen damit anfangen, oder übermorgen oder überübermorgen. Wenn wir Lust haben, etwas Bestimmtes zu tun oder zu lernen finden wir Begründungen es nicht zu tun. Wir können es ja auch später tun.

Wir weigern uns der Zeit ihre maßgebliche Rolle zuzugestehen, obwohl sie zu den machtvollsten Wesen gehört, die buchstäblich unser Leben bestimmen. Einfach dadurch, dass wir sie begrenzt für diese Existenz zur Verfügung haben. Wir verbannen sie in den Hintergrund, was sie nicht daran hindert gerade deswegen wie ein Damoklesschwert über uns zu schweben. Das führt dazu, dass wir uns in einem kontinuierlichen diffusen Zustand von Angst befinden.

Aber wie bringen wir den Faktor Zeit mehr in unser Bewusstsein? Indem wir uns ihm stellen.

Wir können zunächst einmal prüfen wie wir unsere Zeit verbringen. Fertige eine Zeit lang jeden Tag eine Liste an, auf der du notierst wie du deine Zeit verbracht hast. Vergiss nicht aufzuschreiben, wie lange du mit einer Freundin telefoniert hast, und über was ihr geredet habt. Vergiss nicht zu vermerken, wie viele Umwege über die Läden du genommen hast, um nicht sofort nach dem Einkaufen nachhause zu gehen, obwohl du es dir fest vorgenommen hattest, weil du noch die Fenster putzen wolltest. Es geht nicht darum, sich deswegen zu verurteilen, es geht darum, es zu bemerken. Vergiss nicht aufzuschreiben, welche Sendung(en) im Fernsehen du gesehen hast und wie lange. Sei sorgfältig mit der Liste, betrüge dich nicht und nochmal, verurteile dich auch nicht. Es ist einfach nur eine Liste. Nimm deine Einträge zur Kenntnis.

Unnötig zu sagen, dass wenn es dir egal ist, womit du dein Leben verbringst, eine solche Liste unnötig ist. Es wäre sozusagen, um das Oxymoron zu gebrauchen, Zeitverschwendung. Womit wir beim zweiten Punkt wären. Wir ehren die Zeit, wenn wir herausfinden, was wesentlich für uns im Leben ist und uns daran machen, es umsetzen. Mir selbst war lange Zeit nicht bewusst, was mir wichtig ist. Ich brauchte ewig für mein Studium, trödelte herum, war gelähmt vor Prüfungsangst… Das schlimmste an diesem Prozess war für mich, dass ich auch nach Beendigung des Studiums Tätigkeiten ausführte, die mich nicht erfüllten, weil ich spürte, dass ich zu weitaus mehr in der Lage bin, mich aber nicht traute, nicht wusste wo ich ansetzen sollte und auch Angst hatte keine Zeit mehr für Zerstreuungen zu haben, wenn ich wirklich Verantwortung zu übernehmen bereit wäre. Irgendwann ging der Knopf dann auf.

Man kann es Karma nennen.

Es gibt verschiedene Arten von Karma und lange Zeit beispielsweise in einem bestimmten mittelmäßigen oder gar unerträglichen Tun oder Zustand zu verharren und wie gelähmt zu sein, ohne Ideen, Mut, Initiative und Tatkraft, hat unter anderem mit Zeitkarma zu tun.

Der indische spirituelle Lehrer Dr. Pillai sagt dazu: In dem Moment, wo du beginnst darüber zu kontemplieren, was du eigentlich so tust, beginnst du dein Zeitkarma herauszufordern.

Karma ist ein Zustand, in dem man wie eingefroren ist, scheinbar ohne Möglichkeiten, ohne Hoffnung und Kraft. In einer Welt unzähliger Möglichkeiten kleben wir an der einen, der absolut unbefriedigenden. Wenn wir das Karma herausfordern, indem wir uns stellen, beginnen die Dinge in Fluss zu kommen.

Stelle also Fragen. Frage dich in klar formulierten Sätzen: Was will ich im Leben? Will ich noch bis zur Rente so weitermachen? Will ich mehr Verantwortung dafür übernehmen wie mein Leben abläuft? Will ich meine Beziehung zu…..auf diese Weise weiter führen? Will ich den Fernseher zum Mittelpunkt meiner Freizeit machen oder das Essen oder das Bier oder die Suche nach …..Bestätigung? Will ich meine Zeit damit verbringen, mich über andere Leute zu unterhalten? Will ich weiter für mein Verhalten Begründungen finden? Kann ich es akzeptieren, dass meine Mutter jeden Tag anruft? Möchte ich, dass XY weiter meine Grenzen überschreitet? Will ich mich auch zukünftig meiner Angst beugen, diese Person zu verlieren, wenn ich meine Grenzen definiere? Warum stecke ich fest? Was ist meine Angst? Wie möchte ich mein Leben wirklich leben? Was war mein Traum und wo ist er geblieben? Was möchte ich noch gelernt, getan, erfahren haben, bevor ich sterbe? Was ist wirklich wichtig für mich? Was habe ich für Ziele? Ist es wichtig für mich, mehr zu lieben? Ist es wichtig für mich, mehr Geld zu verdienen? Ist es wichtig für mich, mehr zu wissen oder zu dienen? Alle diese Fragen sind angemessen, ja bedeutend, selbst dann wenn sie sich ausschließlich auf Materie wie Geld beziehen. Es gibt Menschen, die sich dadurch erfüllt fühlen, dass sie Immobilien sammeln. Warum auch nicht? Es ist ihr Weg oder einer ihrer Wege.

Sobald wir solche Fragen ernsthaft stellen, anerkennen wir das Wesen Zeit und zeigen ihm, dass wir es in unserem Leben wahrnehmen und mit ihm umgehen möchten. Was wird passieren? Die Zeit wird beginnen für dich zu arbeiten. Sie wird dir Botschaften geben, wenn du (nicht) in Einklang mit deinen Zielen bist, sie wird dir helfen, dich deiner Angst zu stellen und lebendiger zu sein und sie wird dir Richtungen weisen.

Es geht nicht darum, dauernd etwas (scheinbar) Wichtiges zu tun, um Zeit zu füllen. Ununterbrochen zu arbeiten und womöglich auszubrennen heißt genauso den Faktor Zeit zu missachten wie Faulheit. Sich des Wesens Zeit bewusst zu sein bedeutet auch, sich Zeit für die eigene Erholung zu gönnen und sich überdies zu erlauben einen Schritt zurück zu treten, um neue Ideen und Eindrücke zu bekommen. Zu prokrastinieren, also festzustecken, kann aber muss nicht unbedingt heißen, dass wir die Zeit negieren. Dieser Zustand mag manchmal wichtig sein, um zu erkennen, dass wir die Richtung ändern sollten. Es geht darum aufmerksam zu sein, wie wir mit Zeit umgehen. Dafür gibt es keine fertigen Rezepte.

Jedes Wesen möchte Ehrung und Achtung erfahren, dafür dass es existiert. Das wissen wir nur zu gut von uns selbst. Menschen, die uns achten bevorzugen wir vor anderen. Würdige das Wesen Zeit. Dann wird es dir freundschaftlich zugetan sein und dich lehren, deine Zyklen zu verstehen und mit ihnen zu gehen. Würdige es, indem du es wahrnimmst, wie oben beschrieben. Ein weiterer Schritt in diese Richtung kann auch sein, es sich immer wieder in dein Bewusstsein zu rufen, indem du dir ein Symbol dafür erschaffst, z.B. ein Bild von Chronos, dem Gott der Zeit. Stelle es an einen besonderen Platz in deiner Wohnung und schenke ihm deine Achtung, z.B. indem du ihm von Zeit zu Zeit ein kleines Geschenk widmest.

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