Hast du dich jemals gefragt, was du an der Wand hängen hast? Wie lange hast du die Bilder an deiner Wand nicht mehr wirklich angesehen? Ich meine so, dass du verstehst, was sie dir zu geben in der Lage sind. Oft haben wir Bilder wie alte Bekannte, sie gehören eben zu unserem Umfeld, aber wir hinterfragen nicht ob wir nicht längst aus diesem Kreis herausgewachsen sind.

Oder ob diese Wesen überhaupt etwas mit uns zu tun haben. Wenn es nicht der Fall ist, saugt der Umgang mit ihnen oder ihre Präsenz Energie. Bilder sind eine merkwürdige Sache. Bei uns zu Hause hingen Bilder an der Wand, weil Grossmütter, Grossväter, Urgrossväter etc., die professionelle Künstler waren sie gemalt hatten. Tatsächlich gefielen sie mir auch gut. Wenn ich allerdings jetzt so zurückblicke erschien mir doch einiges davon recht gruselig. Vor allem alte Porträts. Als ich auszog in meine eigene Wohnung nahm ich einige Gemälde mit und hängte sie auch auf.

Meine Wohnung war immer voller Bilder. Einige, weil man sie mir geschenkt hatte, andere, weil ich sie, wie gesagt von zuhause mitgenommen hatte. Als ich meine Bilder in Zusammenhang mit mir selbst zu hinterfragen begann wurden meine Wände weiß. Es verschwand beispielsweise ein herrlich elegisches Sommergartenbild meines wunderbaren Großonkels mit einer anmutig drapierten einsamen Frau darauf. Ich wollte mich nicht in Gegenwart einsamer Frauen befinden, seien sie noch so schön. Es verschwanden Bildgeschenke. Es verschwanden Bilder von denen ich dachte, sie seien doch recht dekorativ. Es verschwanden Bilder, die mit meiner Vergangenheit zu tun hatten aber nicht mit meinem gegenwärtigen Leben. Ich ehre all diese Bilder, aber ich will nicht, dass sie in meinem Umfeld schwingen.

Eine undekorierte Wand hat etwas überaus Entspannendes. Keiner versucht von der Seite eine Meinung oder ein Weltbild oder gar seine Ängste, Sorgen und Nöte auf mich aufzudrücken. Seit vielen Jahren hängen nun so gut wie keine Bilder mehr an meinen Wänden. Circa vier Jahre nach meiner Bildräumung erstand ich ein Bild meiner Herzensfreundin, die ebenfalls Künstlerin ist. Dieses Bild anzusehen erfreut mein Herz. Ein Bild, das in meiner Wohnung hängen darf, muss es etwas Wunderbares mit mir tun. Es muss mich wirklich erfreuen und begeistern. Es dauerte weitere fünf Jahre bis auch noch zwei hinreißende Krafttierbilder zu mir fanden.

Was viele zeitgenössische Künstler in ihren Bildern ausdrücken ist das Chaos in ihrem Leben, Ratlosigkeit, Zweifel und Angst usw. Das ist ihr gutes Recht, wer als ein Künstler wäre besser dafür geeignet, die Schattenseiten, die angsterregenden dunklen Räume des Lebens und der Gesellschaft darzustellen. Was mich betrifft, ich möchte mich nicht damit umgeben. Ich möchte mit Bildern sein, die mich ermächtigen, die mich unterstützen, die voller Schönheit sind und die wie angegossen für mich passen. Und davon wenige. Alternativ die weiße Wand.

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